Unter dem Motto „Perspektiven der Vertrauensbildung – 25 Jahre nach dem Abzug der WGT“ hatten die Landesvertretungen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg beim Bund gemeinsam mit der Stiftung West-Östliche Begegnungen am 10. September 2019 zu einer Veranstaltung eingeladen, bei der über die Hintergründe und den Ablauf der Rückführung der in der DDR stationierten sowjetisch/russischen Streitkräfte, aber auch die aktuellen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland gesprochen wurde.
Zu den Gästen und Referenten gehörten der Boschafter der Russischen Föderation in Russland, Sergej Netschajew, der ehemalige außenpolitische Berater von Bundeskanzler Kohl und Organisator der Münchner Sicherheitskonferenz, Prof. Dr. h.c. Horst Teltschik, der Direktor des Europainstituts der Russischen Akademie der Wissenschaften, Prof. Dr. Alexej Gromyko, der ehemalige Staatsminister im Auswärtigen Amt und Beauftragter der Bundesregierung für Russland, die GUS und die Länder der östlichen Partnerschaft Dr. Gernot Erler sowie Generaloberst Anton Terentjew, letzter Stabschef der WGT.
Bei der Begrüßung der Gäste verwies die Dienststellenleiterin und Ständige Vertreterin der Bevollmächtigten des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Bund, Ilka Lochner, auf die seit Jahrzehnten engen Beziehungen ihres Bundeslandes zum Leningrader Gebiet. Selbst in diesen politisch schweren Zeiten würden die Verbindungen in Wirtschaft, Kultur und anderen Bereichen weiter ausgebaut. „Wie erfolgreich wir dabei sind, zeigte der 3.Russland-Tag im vergangenen Jahr in Rostock, an dem über 800 Besucher, darunter vieler Vertreter von Unternehmen teilnahmen.“
Sie verwies darauf, dass die Ministerpräsidentin, Manuela Schwesig als sich als Vorsitzende der deutsch-russischen Freundschaftsgruppe im Bundesrat für den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen, der zivilgesellschaftlichen Kontakte sowie für einen kritischen Dialog einsetzt.
Der Bevollmächtigter des Landes Brandenburg beim Bund, für Medien und Internationale Beziehungen, Thomas Kralinski, machte deutlich, dass der Abzug der russischen Truppen aus Deutschland nicht nur eine grandiose logistische Leistung war, sondern auch der Beginn eines friedenspolitischen Prozesses, der Europa sicherer machte. „Deutschland, wir reichen dir die Hand“, sagen die russischen Soldaten beim Abschied, erinnerte sich Kralinski, „und die Stiftung West-Östliche Begegnungen, deren 25jähriges Bestehen wir heute begehen, hat diese Hand ergriffen und seither in vielfältiger Weise die Begegnungen der Menschen unserer Länder gefördert.“
Auch die Vorsitzende der Stiftung West-Östliche Begegnungen, Jelena Hoffmann, wertete den Abzug der sowjetischen/russischen Streitkräfte aus Deutschland als einen „unersetzbaren Beitrag zur Sicherung unserer friedlichen Zukunft“. Nicht zufällig wurde die Zweckbestimmung der Stiftung durch den Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der UdSSR vom 9. November 1990 mit geprägt. „Die Stiftung sieht sich der Aufgabe, zu Verständigung und Versöhnung beizutragen in ihrer Arbeit heute und in Zukunft verpflichtet“ betonte die Vorsitzende.
Im Mittelpunkt der Diskussionen standen der Rückblick auf die Schaffung von Vertrauen im Vorfeld und im Verlauf des Abzugs der Westgruppe der russischen Streitkräfte, aber auch die Schaffung von Sicherheit durch Vertrauensbildung und Kooperation unter den heutigen Bedingungen.
So berichtete Dr. Helmut Domke, in den Jahren 1990 – 94 als Staatssekretär der Bevollmächtigter des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg für die WGT und Konversion, von dem großen Einsatz und der engen Zusammenarbeit aller Beteiligten, um den Abzug von rund 500 000 Militärangehörigen und Zivilisten der russischen Armee zu gewährleisten. Generaloberst Terentjew hob hervor, dass während der gesamten Präsenz der sowjetischen und russischen Streitkräfte in Deutschland der Frieden in Europa gesichert war. Prof. Horst Teltschik gab zu bedenken, dass es möglicherweise die heutigen großen Probleme in den Beziehungen zwischen dem Westen und Russland nicht geben würde, wenn damals die Fragen und Wünsche Russlands tatsächlich berücksichtigt worden wären. Er mahnte an, dass es an der Zeit wäre, wieder auf einander zuzugehen.
Der zweite Teil der Veranstaltung war dem 25jährigen Jubiläum der Stiftung West-Östliche Beziehungen gewidmet. Der Ehrenvorsitzende der Stiftung, Dr. Helmut Domke, erinnerte an das Entstehen der Stiftung und würdigte, dass sie seit zweieinhalb Jahrzehnten erfolgreich Begegnungsprojekte mit den Nachfolgestaaten der UdSSR fördert, vor allem im Rahmen von Städtepartnerschaften, beim Jugendaustausch oder auch im Bereich Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe. Als einzige ihrer Art unterstützt die Stiftung auch Klein– und Kleinstprojekte von Schulen und Jugendgruppen, gemeinnützigen Vereinen mit den Partnerländern.
In seinem Festvortrag zum Jubiläum der Stiftung stellte der ehemalige Botschafter der BRD in Moskau, Dr. Ernst-Jörg von Studnitz, Ehrenvorsitzender des Deutsch-Russischen Forums, die Vertrauensbildung zwischen Deutschland und Russland in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Die Völkerrechtsverträge von 1990 hätten eine solide Grundlage für ein vertrauensvolles Miteinander geschaffen, aber viele der Vereinbarungen seien immer noch nicht umgesetzt worden. „Wenn es der großen Politik nur schwer oder gar nicht gelingt, die Vertragsziele in der gegenwärtigen politischen Lage Europas zu verwirklichen, heißt das nicht, dass zivilgesellschaftliche Aktivitäten ungenutzt bleiben müssen“, erklärte der Diplomat. In diesem weiten Feld leiste die Stiftung West-Östliche Begegnungen seit zweieinhalb Jahrzehnten eine erfolgreiche und anerkannte Arbeit. In dieser Zeit hat die Stiftung in mehr als 3500 Projekten mehr als acht Millionen Euro eingesetzt. So waren im Jahr 2018 mehr als die Hälfte der geförderten Projekte Schüler- und Jugendbegegnungen. Des Weiteren würdigte von Studnitz den großen Beitrag der Stiftung zur Entwicklung von Städtepartnerschaften.
Er rief dazu auf, trotz der aktuellen Spannungen in den Beziehungen des Westens zu Russland, die zivilgesellschaftlichen Kontakte weiter zu vertiefen.
Zu den Ehrengästen der Veranstaltung gehörten auch der Botschafter der Russischen Föderation in Deutschland, Sergej Netschajew (rechts), und Prof. Horst Teltschik (Mitte), ehemaliger Sicherheitsberater von Kanzler Helmut Kohl Podiumsdiskussion zur historischen und aktuellen Bedeutung des Truppenabzuges