Gespräch mit Jelena Hoffmann, Vorsitzende der Stiftung West-Östliche Begegnungen über Ihre Teilnahme am „Dialog an der Wolga“
Frau Hoffmann, Sie haben am internationalen Forum „Dialog an der Wolga – Frieden und Verständigung im 21. Jahrhundert “ teilgenommen, das vom 30.10. – 2.11.2019 in Wolgograd stattgefunden hat. Mit welchen Erwartungen sind Sie dorthin gefahren?
Nach 2018 bin ich zum zweiten Mal zu diesem Forum gefahren, und nach der Erfahrung vom vorigen Jahr wusste ich, dass ich mit vielen neuen Ideen für die Tätigkeit unsere Stiftung zurückkehren werde. Außerdem gibt es keinen besseren Ort, wo das Verlangen nach Frieden so offensichtlich wird und der Begriff „Verständigung“ zwischen den Ländern dieser Erde buchstäblich an jeder Ecke der Stadt mit einem Sinn erfüllt wird. Ich denke, dass, wenn jeder Abgeordnete des Bundestages, wenigstens einmal dieses Forum besuchen oder auch „nur“ zum Besuch nach Wolgograd kommen würde, verliefen manche Abstimmungen zur Russlandpolitik im Bundestag anders.
Welche Themen standen bei der Konferenz im Mittelpunkt?
Zunächst muss gesagt werden, dass an der Konferenz Delegierte aus 40 Länder teilgenommen haben. Das Ziel des Forums ist die weitere Entwicklung von Möglichkeiten und Formen der Volksdiplomatie. Am Forum nehmen Vertreter von Stadt- und Regionalverwaltungen, Nichtregierungsorganisationen, aber auch ausländische Diplomaten und Abgeordnete nationaler und regionaler Parlamente teil.
Im Mittelpunkt des diesjährigen stand die Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit der Zivilgesellschaften in vielen Bereichen und vor allem als Basis der Städterpartnerschaften. Ein glänzendes Beispiel dafür ist die seit über 75 Jahren bestehende Partnerschaft zwischen Wolgograd und Coventry. Das sind auch die Themen unserer Stiftung.
In diesem Jahr nahmen zum ersten Mal junge Leute aus der ganzen Welt am „Dialog an der Wolga“ teil. Junge Führungskräfte aus 48 Ländern, diskutierten im Programm „New Generation“, ihren Beitrag zur gesellschaftlichen Diplomatie.
Es gab auch eine Arbeitsgruppe, die sich speziell mit dem Verhältnis zwischen Deutschland und Russland befasst hat. Worum ging es dabei?
Die Organisatoren des Forums haben mich eingeladen, als Expertin an der Diskussion des Runden Tisches „Deutschland und Russland in der globalen Politik: Vektoren der Entwicklung einer Zusammenarbeit“, teilzunehmen. In der Diskussion wurden Antworten auf die Frage gesucht, ob sich in einer veränderten, globalisierten Welt Deutschland und Russland entfremden oder mehr zu einander finden sollen. Von der deutschen Seite nahmen Abgeordnete der Bundestagsfraktion der Linkspartei an den Debatten teil, in denen nicht an Kritik in Richtung der Bundesregierung in Fragen Sanktionen gegen Russland und der gravierenden Verschlechterung der Beziehungen zwischen unseren Ländern gespart wurde. Aber auch die anderen Vertreter der deutschen Zivilgesellschaft plädierten für die Beendigung der Sanktionen und mahnten die Normalisierung des Verhältnisses zwischen Deutschland und Russland an, auch unter den Bedingungen der aktuellen Situation im Konflikt um die Ukraine. Russische Teilnehmer äußerten Unverständnis über die mediale Darstellung Russlands in Deutschland. Dieses Thema spielte in Wolgograd auch unter dem Gesichtspunkt der wachsenden Bedeutung der sozialen Medien eine große Rolle. Einig waren sich alle Teilnehmer des Runden Tisches, dass in Zeiten der schwierigen politischen Turbulenzen die Bedeutung der Gesellschaftsdiplomatie zunimmt. Ein Instrument der Entwicklung der bilateralen Zusammenarbeit sind und bleiben hierbei die regionalen Partnerschaften, vor allem die Städtepartnerschaften.
Welche Schlussfolgerungen können Sie für Ihre Tätigkeit als Vorsitzende der Stiftung West-Östliche Begegnungen aus der Konferenz ziehen?
Die Resultate der Arbeit des Forums sind in der Abschlussresolution festgehalten, in der sich die Teilnehmer dafür aussprechen, die gesellschaftliche Diplomatie in ihren Ländern durch den Ausbau der zivilgesellschaftlichen Kontakte zu Russland weiter zu entwickeln und so für Frieden und Verständigung zu wirken.
Das Forum in Wolgograd gibt aber nicht nur die Möglichkeit, die besten Erfahrungen in der internationalen Kooperation in allen Bereichen der Zivilgesellschaft auszutauschen. Jedes Mal entdeckt man neue Möglichkeiten, bekommt neue Ideen für die eigene Arbeit. Ich bin überzeugt und werde mich dafür einsetzen, dass einige Erkenntnisse, die ich aus Wolgograd mitgebracht habe, in die Projekte der Stiftung einfließen werden.
(Das Gespräch führte Hartmut Hübner)
Foto: Ehrung der in der Schlacht um Stalingrad Gefallenen in Wolgograd.