Wir gedenken des Überfalls auf die Sowjetunion vor 80 Jahren.
Am 22. Juni 1941 überfiel die deutsche Wehrmacht und ihre Verbündeten die Sowjetunion. In einem Blitzkrieg sollte das sowjetische Territorium bis zum Ural erobert und auf Dauer besetzt werden. Der deutsche Einmarsch war zentraler Teil des Plans, „Lebensraum“ für das „deutsche Volk“ zu schaffen und den verhassten Kommunismus zu vernichten. Daher wurden Militärkommandanten angewiesen, Kommissare der Roten Armee und Intellektuelle mit besonderer Härte und Brutalität zu behandeln.
Den Feldzug führte die Wehrmacht vom ersten Tag an mit den Mitteln barbarischen Terrors gegen die Zivilbevölkerung. Die deutsche Kriegsplanung sah 1941 ausdrücklich vor, die Bevölkerung um 30 – 50 Millionen Menschen zu reduzieren. Mit dem Überfall begann auch die entscheidende Phase im Plan der Nazis, “das Judenproblem zu lösen“. Allein bis Ende 1942 wurden ungefähr 1,5 Mio. Juden in den besetzten Gebieten ermordet. Eines der eklatantesten Kriegsverbrechen gegen die Bevölkerung war die Blockade von Leningrad. Fast drei Jahre lang von September 1941 bis Januar 1944 wurde die Stadt belagert. Sie sollte nicht erobert, sondern durch Hunger getötet werden.
Es war der verheerendsten und blutigsten Konflikt in der Geschichte der Menschheit – ein rassenideologischer Vernichtungs- und Versklavungskrieg gegen ganze Völker. Er brachte unendliches Leid über die Menschen und forderte 60 Mill. Menschenleben, davon kostete der Abwehrkampf der Sowjetunion zum Ende des Krieges 25 Millionen sowjetischen Soldaten, Kriegsgefangenen und Zivilisten das Leben. Von den mehr als 5 Mio. Kriegsgefangenen starben 3,3 Millionen. Deutsche zerstörten 1.710 Städte, 70.000 Dörfer, 2.766 Kirchen und Klöster, 4000 Bibliotheken und 427 Museen.
Der 22. Juni ist ein trauervoller und tragischer Tag für alle russischen Bürger und die überwiegende Mehrheit der Menschen in den ehemaligen Sowjetrepubliken. Fast jede Familie war vom Krieg betroffen und hatte mindestens ein Opfer zu beklagen.
80 Jahre nach dem Überfall auf die UdSSR beging man in ganz Russland am 22. Juni 2021 diesen Tag der Erinnerung und Trauer. So wurden um 23.15 Uhr von jungen Menschen gigantische Bilder aus Tausenden Kerzen entzündet. In St. Petersburg trafen sich die Menschen zu Hunderten am Marsfeld. In aller Stille entzündeten sie die Kerzen. Aus dem Stadtzentrum wurden 30.000 Watt starke Scheinwerfer gen Himmel gerichtet. Vor acht Jahrzehnten zeigten sie an, dass Luftangriffe bevorstehen, anno 2021 gemahnten sie an die Schrecken des Krieges.
Gedenken heißt für uns, Lehren aus der Geschichte für heute zu ziehen. Es liegt in der Verantwortung der heutigen Generation, dass niemand diese Gräueltaten je vergessen oder relativieren darf!
Wir wissen, dass kein großes politisches Problem auf dieser Welt ohne Russland lösbar ist.
Wir wissen, dass im Falle eines nicht endenden Wettrüstens der europäische Kontinent der erste ist, der verheert wird.
Wir haben also objektive Interessen, das Verhältnis mit Russland so zu gestalten, dass die Interessengegensätze nicht unter den Tisch gekehrt werden, aber vor allen Dingen das Gemeinsame die künftigen politischen Beziehungen bestimmen und die Vernunft regieren muss.
Die Politik Deutschlands und der EU muss ihren objektiven Interessen folgen und auf Frieden, Stabilität und gutnachbarschaftliche Beziehungen gerichtet sein.
„Hier ist nicht der Ort, an dem zu entscheiden ist, was der deutschen Außenpolitik möglich ist. Aber der Ort, wo gesagt werden muss, was nicht mehr sein darf: Wer als Deutscher über Russland und seine Menschen redet, auch über seine Politiker, seinen Präsidenten, muss im Gedächtnis haben, was heute vor 75 Jahren begann. Dann wird jede verletzende Arroganz
verfliegen und sich das Bedürfnis regen, wenigstens einen Bruchteil des Horrors wieder gutzumachen.“
(22.6.2016 Erhard Eppler, SPD-Politiker).
Der Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 war ein Tag größter deutscher Schuld. Er wirkt bis heute nach. Einen Schlussstrich kann und wird es nicht geben. Frieden braucht Erinnerung.
Gedenken am 22. Juni 2021 in der Gedenkstätte Buchenwald an die im KZ ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen.
Mit dabei waren Dorothea Marx, Vizepräsidentin des Landtags Thüringen, Bodo Ramelow, Ministerpräsident Thüringen, Peter Kleine, Oberbürgermeister der Stadt Weimar, Dr. Martin Kummer, Vorsitzender der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft in Thüringen und Mitglied des Vorstands der Stiftung West-Östliche Begegnungen, Andreij J. Dronov, Generalkonsul der Russischen Föderation in Leipzig.